Nach dem Krieg überquerte ich wiederholt die Grenze, zur Zeit des Eisernen Vorhangs schütze ich sie als Angehöriger der deutschen Grenzpolizei
Robert Böhm wurde am 26. Februar 1932 in Neuern (Nýrsko) in die Familie des Architekten Robert Böhm geboren, der unter anderem das bis heute stehende Mahnmal für die Opfer des 1. Weltkrieges entwarf. Im Jahr 1937 besuchte Konrad Henlein Neuern, den die Ortsbewohner begrüßten und dem der kleine Robert ein Gedicht vortrug. In die 1. Klasse der tschechischen Grundschule wurde Robert im September 1938 eingeschult und nach einigen Wochen ersetzte das Portrait des tschechoslowakischen Präsidenten eine Fotografie Alfred Hitlers – als Folge des Münchner Abkommens. Schon mit 10 Jahren trat Robert der Organisation Jungvolk bei und später der Fliegenden Hitlerjugend, wo er an Gefechtsübungen und Lagern teilnahm. In den letzten Kriegswochen sah Robert mit eigenen Augen, wie ein Zug verwahrloster Gefangener aus Konzentrationslagern durch Neuern zog. Mit der sich nähernden Front kam es auch zur Bombardierung von Neuern, die vierzig Bewohner das Leben kostete. Erst nach dem Krieg erfuhr die Bevölkerung von Neuern von der Hinrichtung der Gefangenen aus den Konzentrationslagern auf dem örtlichen Bahnhof, als die deutschen Bewohner der Stadt die hingerichteten Gefangenen ausgraben, waschen und begraben mussten. Als mit der Verhaftung der Deutschen aus Neuern begonnen wurde, entschied sich Roberts Vater nach Deutschland zu fliehen. Der dreizehnjährige Robert begleitete ihn in der Nacht an die Grenze und brachte ihm später heimlich Briefe und Nachrichten nach Bayern. Roberts Mutter starb im September 1945 an einer Herzkrankheit und Tschechen beschlagnahmten das Haus. Robert begab sich dann allein nach Deutschland zum Vater. In den folgenden Monaten überquerte er wiederholt die Grenze und brachte kleinere Besitztümer rüber, zuletzt auch seine sechsjährige Schwester. Bis zur Errichtung des Eisernen Vorhangs setzte er seine Grenzübertritte fort, hauptsächlich um Pilze und Heidelbeeren zu sammeln, doch er kannte auch Schmuggler und Schleuser. Der ehemalige Gymnasiast machte am Ende in Deutschland eine Bäckerlehre, widmete sich diesem Gewerbe aber nicht. Er nutzte seine alten Erfahrungen aus der Kindheit als Angehöriger der deutschen Grenzpolizei und bewachte unter anderem die tschechisch-deutsche Grenze in den Zeiten des Eisernen Vorhangs. Seinen Geburtsort Neuern besuchte er erst im Juni 1989, wo er auch den nachrevolutionären Lokalpolitiker Ivan Bečvář kennen lernte und mit dem er bis zu dessen Tod freundschaftliche Beziehungen pflegte. Die Kriegs- oder Nachkriegsereignisse rechneten sie einander nicht an. „Wir waren beide noch Kinder,“ stimmten sie überein.