Die Rückkehr in das Familien-Mühlwerk
Annemarie Kist wurde am 3. April 1933 in einem Mühlwerk in Warta (Stráž nad Ohří) als das älteste von drei Kindern des dortigen Müllers geboren. In Warta ging Annemarie vier Jahre lang auf eine deutsche Volksschule, später pendelte sie mit dem Zug auf das Gymnasium in Kaadan (Kadaň). Der Vater Franz Glaser war knapp zwei Jahre lang im Dienst der Wehrmacht, arbeitete jedoch den Großteil der Kriegszeit im Mühlwerk. Im Jahr 1945 erlebte Annemarie Flüchtlingswellen aus den bombardierten deutschen Städten, auch den Todesmarsch der KZ-Häftlinge und letztendlich auch die sogenannte wilde Vertreibung ihrer eigenen Familie. Sie durften fast nichts mitnehmen, ihr Vater wurde festgenommen und der Rest der Familie wurde in das Lager in Brunnersdorf (Prunéřov) gebracht. Dort verbrachten sie in einer ehemaligen Montagehalle für Flugwettkämpfe einige Wochen, bevor sie in Fuhrwerken an die sächsische Grenze gebracht wurden und von dort aus mit dem Zug nach Chemnitz kamen. Der Vater floh vor der Zwangsarbeit, traf sich mit der Familie zusammen und baute sich Stück für Stück wieder ein Mühlwerk in der DDR auf. Als dieses jedoch im Jahr 1951 verstaatlicht wurde, flüchtete der Vater nach Westdeutschland. Die Mutter blieb zusammen mit den Kindern und der Großmutter in der DDR, die Eltern ließen sich später scheiden. Annemarie wurde Lehrerin, sie machte in Potsdam ein Präsenz- und Fernstudium. Im Jahr 1957 heiratete sie. In die Tschechoslowakei reiste sie oft, vor allem nach Prag zu ihrer Tante. Sie ist froh, dass ihr Familien-Mühlwerk erneuert wird und dass sie das Interview für Paměť národa direkt dort geben durfte.