Anna Michalski

* 1924

  • "Da war nebenan ein Männerlager, getrennt, mit Stacheldraht natürlich und dann Wachtürme ringsum. Und die Männer, wenn wir raus waren, wollten ein bisschen Kontakt haben mit uns, Frauen. Dann haben sie uns immer Zettel geschrieben und in Stein eingewickelt und rübergeworfen über den Stacheldraht. Manchmal haben die Konvois, die Wachposten, das beobachtet, manche haben sich einfach so getan, als ob sehen sie das gar nicht. Sie wollten uns den Spaß nicht verderben. Aber manche waren frech. Manche haben geschossen. Und ein Mann von den Gefangenen – wir waren ja nur von dem Stacheldraht getrennt, der hat das dann verfehlt und es blieb im Zaun hängen. Und das eine Mädchen wollte das trotzdem wegholen und der hat auf sie geschossen. Dann hing die – das Bild vergesse ich nie – dann hing das Mädchen im Stacheldraht. Sie war nicht tot, ins Bein geschossen. Das Bild sehe ich noch heute, das war schrecklich."

  • "Sie mussten aus unserem Ort, aus der Heimat das Vieh und was da alles noch war, aus den Ställen raustreiben und die haben sie ganz anderswo hin gebracht, die Kühe. Meine Schwestern haben erzählt, die Kühe wollten nicht gehen, die wollten immer wieder zurück in den eigenen Stall, sie haben sie mit Stöcken treiben müssen, dass sie weiter gingen. Das war schlimm für uns. Die brüllten die Kühe, die wollten immer umdrehen und in eigenen Stall gehen."

  • "Die Heimat ist Heimat. Das stimmt schon. Ich wollte immer wieder da, aber schließlich habe ich das aufgegeben. Sie wollten mich nicht wiederhaben. Ich war ausgeschieden aus dem Staatsverband. Ich hätte extra ansuchen müssen in Prag über die Regierung, dass sie mich wieder aufnehmen in den Staatsverband. Warum, weiß ich auch nicht. Das ist schon hart, ne?"

  • Celé nahrávky
  • 1

    Osnabrück, Deutschland, 18.08.2016

    (audio)
    délka: 04:40:59
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Ich habe sehr viel Nationen kennengelernt. Es gibt überall Leute, solche und solche

Anna Michalski (2016)
Anna Michalski (2016)
zdroj: Pamět národa - Archiv

Anna Michalski wurde am 27. 3. 1924 in Niesnersberg, heute Nýznerov, in der Nähe von Žulová (Friedberg), Kreis Jeseník (Freiwaldau in Schlesien) geboren. Sie hatte acht Geschwister. Die Familie war sehr arm, die Situation nach dem ersten Weltkrieg brachte Not und Hunger mit sich. Mit der Hitlerzeit kam Verbesserung, u.a. das Kindergeld. Die Familie und genauso die vielen anderen Leute in dem fast rein deutschem Gebiet der im Jahr 1918 enstandenen Tschechoslowakei waren froh, dass sie als Deutsche zu Deutschland gehören konnten. Anna und auch die meisten anderen Kinder meldeten sich zur Hitlerjugend, ohne aktive Mitglieder zu sein. Im Jahre 1945 kamen die Russen und nahmen Anni noch mit anderen Deutschen nach Glatz (heute Klodsko in Polen). Dort unterschrieb sie eine von den Deutschen erdichtete Beschuldigung und wurde mit 21 Jahren zu 15 Jahren Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt. Ein paar Monate nach dem Urteil war sie schon mit 3 anderen deutschen Frauen in Norilsk. Nach einer Intervention von Konrad Adenauer im Jahre 1955 kam sie zurück, jedoch nicht nach Schlesien, sondern in den westlichen Teil Deutschlands. Dort lernte sie später ihren Mann kennen, welcher auch aus Schlesien kam, und gründete in Osnabrück eine Familie. Ihre Eltern, denen es nicht erlaubt wurde, an der Aussiedlung teilzunehmen, sah sie erst viel, viel später, weil sie wegen ihrem Aufenthalt im Arbeitslager zu einer „unerwünschten“ Person wurde. Sie blieb in Osnabrück, wo sie bis heut in einem Altersheim lebt.