Kurt Schmidt

* 1928

  • „Dadurch sind wir natürlich mit der jüdischen Gemeinde zusammengekommen. Und dann hatte Pavel eine Idee, ob wir nicht behilflich sein konnten, finanziell, aus der von den Nazis verbrannten Synagoge in Olomouc, noch einige Bänke, die nicht völlig verbrannt waren, nach Krnov zu transportieren. Das hat er gemacht und wir haben dafür gespendet. Und es ist so, dass jeder Stuhl dann eine Tafel hatte, und da stand der Name eines Juden, der von den Nazis umgebracht worden ist. Und da konnten wir uns jeweils einen auswählen und wir haben für diesen Stuhl bezahlt. Symbolisch, weil ja der Transport auch Geld gekostet hat. Und dadurch ist es so gewesen, dass in der Zwischenzeit auch unser Haus gebaut worden ist, das 1997 dem Hochwasser zum Opfer gefallen war, und die Stadt war damals nicht in der Lage, das Haus wieder zu errichten. Und daraufhin hat man uns gefragt, ob wir helfen können, über den Deutsch-Tschechischen Zukunsftsfonds. Und zur selben Zeit kam der Oberrabiner aus Olomouc nach Krnov und wollte sich bedanken, dass wir die verbrannten Stühle nach Krnov gebracht hatten. Er kam auf mich zu und sagte zu mir: Sie sind der erste Deutsche, dem ich die Hand gebe. Ich habe mir vorgenommen, in meinem Leben nie mehr einem Deutschen die Hand zu reichen. Aber nachdem ich gesehen habe, was Sie hier in Bezug auf die Juden getan haben, möchte ich Sie bitten, nehmen Sie meinen Gruß an. Und die Synagoge steht Ihnen für alle Ihre Veranstaltungen zur Verfügung.“

  • „Und von dort aus fuhr ich dann nach Ostrava, arbeitete dort in der Slévárna, und anschließend, nach drei Monaten ins Konzentrationslager nach Auschwitz. Und dort konnte ich die großen Öfen sehen, wo man seinerzeit die Juden verbrannt hatte und andere. Also mir braucht niemand was zu erzählen! Wir haben ja in Deutschland wieder Neonazis, die behaupten, es ist alles Lüge gewesen. Mir braucht niemand was zu erzählen, ich habe das selber mit eigenen Augen gesehen. Einzelne von uns kamen ins Konzentrationslager nach Auschwitz. Osvětim. Und dort war eine wichtige wirtschaftliche Position. Bis dorthin hatten während des Krieges die russischen Pioniere die russische Breitspur gelegt. Und wir mussten jetzt das Metall, das aus Russland kam und für die Tschechoslowakei bestimmt war, umladen. Von den russischen Wagons auf die tschechische. Das war unsere Aufgabe.“

  • "Wie es ausgesehen hat? Da waren die früheren Mannschaftsbarracken, da lagen die Bewohner, die man aus den Häusern herausgetrieben hatte und dort untergebracht hat. Und ganz vorne, gleich neben der Wache, hatte man zwei Barracken abgesperrt mit Stacheldraht und dort wurden dann diese Prügelszenen gemacht. Beispielsweise mir ist das so passiert, dass ich dort hereingebracht wurde und dann traten sechs Partisanen auf mich los. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, was eine Nagaika ist. Eine Nagaika ist eine Peitsche, und in diese Peitsche hinein, in die Lederriemen, sind Eisenstücke verarbeitet. Und wenn man mit denen zuschlagt, die reißen sofort die ganze Haut auf. Na ja, dann wollten sie irgendetwas wissen, ob ich einen Tschechen zur Hitlerjugend gezwungen hätte. Ich habe gefragt, wie sie sich das vorstellen, ich war zu dieser Zeit elf, zwölf Jahre, ich hatte zu so etwas überhaupt nicht die Möglichkeit gehabt. Das war denen egal, sie haben einfach zugeschlagen. Dann war ich natürlich ohnmächtig geworden, dann gossen sie einfach ein, zwei Eimer über mich und haben wieder zugeschlagen. Und als ich dann wieder in Ohnmacht fiel, haben sie mich wieder von diesem Tisch in die Ecke geschmissen und dort blieb ich liegen."

  • „Das sind die Faustschläge von dem Kommandanten des Lagers auf der Troppauer Straße. Der war bekannt als Quäler, Schlager, Totschlager. Alles was man einem Deutschen antuen kann, hat er auch an mir verbrochen. Soll ich Ihnen eine Untat schildern? Er hat herausbekommen, dass mein Onkel auch in dieses Lager eingewiesen wurde. Dann hat er sich folgenden Spaß erlaubt - er hat meinen Onkel und mich gegenübergestellt. Auf einem freien Platz, früher war es der Appellplatz des Panzerregiments. Und dann hat er uns den Befehl gegeben, wir mussten das Deutschlandlied singen. Und in dem Moment, wo wir anfingen, ist er und einige anderen Partisanen über uns hergefallen und haben uns zusammengeschlagen. Aber wir mussten weitersingen und uns gleichzeitig ohrfeigen. Und weil ich mich geweigert habe, meinen Onkel zu schlagen, hat er das gemacht. Zunächst mal schlug er mich total zu Boden. Und da hat er mein Trommelfell verletzt, wie später die Ärzte in Deutschland festgestellt haben.“

  • „Das war in der Nacht vom 31. Januar 1945 auf den 1. Februar, es kann aber auch ein oder zwei Tage später gewesen sein. Da kamen in der Nacht ungefähr 3000 KZ-Leute aus Osvětim. Die wurden hier durchgetrieben, in der Nacht. Aber einer meiner Freunde hat es gesehen und mir erzählt, was das für ein Elendshaufen gewesen ist. Dann in Weisskirch draußen, in einer Vorstadt von Krnov, da haben sie erstmal Pause gemacht. Einige versuchten zu fliehen, aber die wurden gleich erschossen. Die ganze Gruppe ist dann in Richtung Rehwiess weitergezogen und dort sind die meisten auf begraben, umgekommen. Man hat absichtlich das so gemacht, dass die Menschen, die hier noch geschlafen haben, dass sie nichts sehen, wenn diese Elendsgestalten da durchgetrieben worden sind. Ich habe es schon am nächsten Tag gehört, und ich muss ganz ehrlich sagen: Das hat natürlich unsere Angst nur noch befördert. Wir haben uns gesagt – uns kann Ähnliches passieren.“

  • „Wo ich war? Am Marktplatz, hier. Und auf den Schultern meines Vaters habe ich das alles erlebt. Am 7. Oktober früh um acht Uhr ist die deutsche Wehrmacht einmarschiert. Und um zehn Uhr war Hitler da und sprach vom Balkon des Rathauses. Der ganze Marktplatz war übersät mit Menschen. Es war voll. Ich konnte keinen Platz mehr finden, mein Vater hat mich dann auf die Schulter genommen. Und dann sind wir zurück auf den Burgberg und da war alles abgesperrt. Und mein Vater hat sich doch durchgefitzt, weil unser Haus ja da oben war. Und der Hitler kam anschließlich auf den Burgberg hinauf. Dort hat man ihm dieses herrliche Panorama gezeigt, was Sie heute gesehen haben, wenn Sie auf der Terrasse gesessen haben, das ganze Gebirge, Altvatergebirge. Das hat man ihm gezeigt. Und ich sollte Hitler einen Blumenstrauß überreichen. Ich war damals sehr, sehr schüchtern und hatte einfach Angst dahinzugehen. Und deshalb lebe ich noch. In vielen Fällen ist passiert, auch in Olberstdorf, also Albrechtice, da war ein kleines Mädchen, das damals Hitler Blumen überreicht hat. Die ist nachher von den Tschechen erschossen worden.

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  • 1

    Krnov, 26.07.2022

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  • 2

    Krnov, 27.07.2022

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Den Denkmal für die Opfer der wilden Vertreibung durften wir in Jägerndorf vor der Synagoge errichten

Kurt Schmidt, Jägerndorf 2022
Kurt Schmidt, Jägerndorf 2022
zdroj: Natáčení

Kurt Schmidt wurde am 17. Mai 1928 in Hermannstadt (Heřmanovice) geboren und wuchs in Jägerndorf (Krnov) auf dem Burgberg (Cvilín) auf, wo sein Vater ein Restaurant besaß. Sein Vater war Offizier der Kaiserlichen Armee, der als Deutscher keinen Platz in der Staatsverwaltung erhalten konnte. Während der Beschlagnahmung des Sudetenlandes im Oktober 1938, kam auch Adolf Hitler nach Jägerndorf und auf den Burgberg, Kurt sollte ihm Blumen überreichen, schämte sich aber und machte es nicht. Zum Ende des Krieges war Kurt in einer höheren Position der Hitlerjugend, erfolgreich versuchte er so dem Einsatz an der Front auszuweichen. Anfang Mai 1945 kam sein Vater in Prag ums Leben, die Mutter kam durch die sogenannte wilde Vertreibung in die sowjetische Besatzungszone Deutschlands. Kurt verbrachte drei Wochen im Jägerndorfer Internierungslager in der Troppauer Straße, wo er geschlagen und gequält worden war. Danach verbrachte er ein Jahr lang mit Zwangsarbeit in den Ostrauer Roten Kasernen. Während dieser Zeit wurde er auch im damaligen KZ Auschwitz bei der Verlagerung von Zügen eingesetzt. Abgeschoben nach Deutschland wurde er im Herbst 1946. Er studierte Geschichte und klassische Philologie in Augsburg, unterrichtete an Gymnasien und Hochschulen, mit den Studierenden unternahm er auch mehrmals Exkursionen in die damalige ČSSR. Nach dem Jahr 1989 engagierte er sich in seiner Herkunftsregion, initiierte eine Reihe an Aktivitäten zur deutsch-tschechischen Versöhnung, er arbeitete mit den Jägerndorfer Bürgermeistern und auch mit der örtlichen jüdischen Gemeinde zusammen. Dem Jägerndorfer Hungermarsch im Juni 1945, wo ca. 300 Menschen deutscher Nationalität zum Opfer fielen, ließ er nach Absprache mit der jüdischen Gemeinde im Jahr 2017 auf dem Grundstück der Jägerndorfer Synagoge ein Denkmal errichten.