Následující text není historickou studií. Jedná se o převyprávění pamětníkových životních osudů na základě jeho vzpomínek zaznamenaných v rozhovoru. Vyprávění zpracovali externí spolupracovníci Paměti národa. V některých případech jsou při zpracování medailonu využity materiály zpřístupněné Archivem bezpečnostních složek (ABS), Státními okresními archivy (SOA), Národním archivem (NA), či jinými institucemi. Užíváme je pouze jako doplněk pamětníkova svědectví. Citované strany svazků jsou uloženy v sekci Dodatečné materiály.
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Die Seliger-Gemeinde als intellektuelle Heimat
geboren in Singen am 15. Mai 1927
Vater ist Kaufmann, Mutter engagiert sich in der Frauenrechtsbewegung
ab 1940 geht Stupp auf das Akademische Gymnasium am Beethovenplatz in Wien
Stupp hat begeistert sich früh für Kunst und Literatur
1944 umgeht er den Einberufungsbefehl zur Wehrmacht mit einem vorgetäuschten Herzleiden
nach dem Krieg geht er zum Studium der evangelischen Theologie nach Erlangen, Lund (Schweden) und Bonn
in Bonn wird er im Archiv des Bundesrates im Bundeshaus angestellt und lernt über seinen Vorgesetzten Roman Wirkner auch andere führende Sudetendeutsche Sozialdemokraten wie Wenzel Jaksch, Richard Reitzner und Ernst Paul kennen
er tritt der Seliger-Gemeinde bei, engagiert sich in verschiedenen Redaktionen, etwa den Südostdeutschen Vierteljahresblättern
1957 übernimmt er in Erlangen die Leitung des Studium Generale
1993 wird er pensioniert
er ist stark ehrenamtlich engagiert, etwa im Bundesvostand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), im Museumsbeirat der Stadt Erlangen, als Kreisvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, u.a.
Adam Stupp ist kein ‚geborener‘ Sozialdemokrat und auch kein Sudetendeutscher. Dennoch ist ihm die Seliger-Gemeinde im Laufe seines Lebens quasi zur intellektuellen Heimat geworden. [D]as hat mich alles sehr beeindruckt und ich habe auch gleich eben Kontakt gefunden und dann auch..., also viele Freunde gefunden in der Seliger-Gemeinde und das hat mich dann eben doch sehr berührt. Außerdem konnte ich dort meine historischen und literarhistorischen Kenntnisse einbringen und auch selbst eben weitere Forschungen anstellen. Also, die Seliger-Gemeinde ist für mich doch sehr wichtig geworden.
Im Mai 1927 zur Welt gekommen, wächst Stupp bis zu seinem 13. Lebensjahr in Radolfzell am Bodensee auf. Er ist der einzige Sohn eines Prokuristen und einer Lehrerin. Als sich dem Vater die Gelegenheit bietet, sich selbstständig zu machen, zieht die Familie nach Wien, wo Stupp das akademische Gymnasium am Beethovenplatz besucht. An diese Kindheit denkt er mit gemischten Gefühlen zurück, denn einerseits bietet ihm das kulturell anregende Wien unzählige Möglichkeiten sich musisch auszuleben. Für mich war diese Gymnasialzeit vor allem sehr wichtig, weil ich an Literatur, an Bildender Kunst und an Musik sehr interessiert war und mir in Wien doch viele Möglichkeiten offenstanden, an Opern, an Theaterstücken teilzunehmen, Ausstellungen und Museen zu besuchen, und außerdem war ich immer ein begeisterter Leser und habe mich also immer mit Literatur versorgt.
Andererseits ist der Alltag während der Kriegszeit – gerade auf das Kriegsende zu – alles andere als angenehm. Seine Eltern sind keine Sympathisanten der Nazis, bieten zum Beispiel einer jüdischen Näherin kurzzeitig Unterschlupf. Und auch er selbst kann mit der nationalsozialistischen Gesinnung nichts anfangen, so will er etwa nicht zur Hitlerjugend gehen. Da kommt ihm die Hilfe eines Freundes gerade recht. [E]r war außerdem ein HJ-Führer. Einmal trafen wir zusammen und ich erzählte ihm, dass schon zweimal bei mir Hitlerjugend-Führer […] aufgetreten waren, ich müsste in die Hitlerjugend eintreten. [...] Mein Freund Földi sagte zu mir: „Weißt Du was, komm doch zu mir. Ich bin in der Marine-Hitlerjugend, ich bin Stammführer […] und bei mir musst Du nur hinkommen, wenn Du Lust hast. Wenn Du nicht Lust hast, bleibe weg.“ Dieses Angebot habe ich sofort angenommen und dann in Bälde festgestellt, dass es überhaupt keine Dienste gab. Ich erhielt von Földi einen Hitlerjugend-Ausweis, der Marine-Hitlerjugend. Diesen habe ich den örtlichen Hitlerjugend-Führern vorgezeigt, die mich dann gehen lassen mussten und so bin ich mit diesem HJ-Ausweis ohne jemals einen Hitlerjugend-Dienst geleistet zu haben durch die Kriegszeit gekommen.
Später stellt sich zudem heraus, dass dieser Schulfreund nicht ungarisch-adeliger Abstammung ist – wie allgemein behauptet –, sondern jüdischer und seine Familie sich mit falschen Identitäten und einem Umzug unbeschadet durch die Zeit des Nationalsozialismus gebracht hat.
Positive wie negative Erfahrungen verbindet Stupp auch mit den Nächten, in denen er regelmäßig Luftschutzwache in der Schule halten muss. Also das war eigentlich illusionär, die Vorstellung, dass man da mit Sandsäcken und Wassereimern noch irgendwelche Löscharbeiten durchführen hätte können [...]. Ich habe diese Nachtdienste eigentlich ganz gerne durchgeführt, weil wir waren immer zwei und das war dann eine schöne Sache, sich mit einem Freund da unterhalten zu können, und wir haben [...] eigentlich die Sache nicht sehr ernst genommen. Außerdem, da wir die Schlüssel zu allen Räumen natürlich hatten, hatten wir Gelegenheit, die Notenbücher unserer Lehrer im Lehrerzimmer auszuforschen und zu sehen, wie unsere Benotung nun von den Lehrern durchgeführt worden ist. Also, das war eine ganz unterhaltsame Sache. Später als die Luftangriffe aber sehr häufig wurden, da war es dann nicht mehr so gemütlich wie in der Zeit, als wir eigentlich noch keine Fliegerangriffe erleiden mussten.
Doch Stupps schulische Ausbildung und das Zusammensein mit den Freunden wird unterbrochen. Anfang 1944, er ist 17 Jahre alt, erhält er den Einberufungsbefehl zur Wehrmacht. Er sieht nicht ein, wieso er sein junges Leben für eine Ideologie opfern soll, die er nicht teilt und verschafft sich Zeit, indem er sich krank meldet. Anschließend wird er mithilfe seines Vaters und unter Vortäuschung einer Herzkrankheit ins Allgemeine Krankenhaus in Wien eingeliefert. Hier bleibt er bis zum Ende des Krieges. [I]ch war aber bei denen, als einziger Junge, bei den Schwestern, dem weiblichen Personal sehr beliebt dort und habe denen aber auch geholfen mit dem Essen servieren, mit dem Nachttöpfe leeren und mit dem Injektionen geben, Medikamente verteilen, bei Fliegeralarm die Schwerkranken in ihren Betten in den Luftschutzkeller schieben, nach Ende des Alarms sie wieder rauf zu holen... Also, kurz und gut, ich habe mich dort als Gehilfe für die Schwestern betätigt.
Dann jedoch rückt die Rote Armee gen Wien vor und Stupp flüchtet Richtung Westen, um nicht in russische Gefangenschaft zu geraten. Erst im Herbst 1945 kehrt er zurück und beendet die Schule. Der Weg nach Wien erweist sich als schwierig. Die Versorgungslage in Wien ist schlecht, die russischen Besatzer stellen keine Passierscheine aus. [A]ls es also feststand, dass ich keinen Passierschein nach Wien bekomme – ich wollte aber doch meine Schule weiterführen –, bin ich in die britische Besatzungszone gegangen. Da musste ich zu Fuß über einen Hochgebirgspass bei Liezen in der Steiermark klettern, denn von der britischen Besatzungszone war es möglich, nach Wien zu kommen.
Auch an den folgenden Winter des Jahres 1945/46 denkt er mit Bestürzung zurück. [D]as war eine traurige Angelegenheit. Es gab überhaupt nichts zu essen, […] eines der Hauptgerichte, das waren Erbsen und die musste man aber zudecken, weil sonst wären sie davon gelaufen, weil so viele Käfer drin waren. […] Ich erinnere mich, dass ich am Silvestertag 1945 eingeladen war und zur Feier des Tages gab es damals einen Hasenbraten. Als ich den..., als wir das Essen beendet hatten, die Mahlzeit fertig war, habe ich erfahren, dass es ein Fuchs gewesen ist, den ich da statt Hase gegessen habe. Also das war ganz schlimm.
Doch mit dem Schulabschluss lässt Stupp auch die Schrecknisse des Krieges hinter sich und verlässt Wien. Er beginnt ein Studium der evangelischen Theologie in Tübingen. In den Jahren zuvor hat er sich immer mehr mit der Religion befasst. Ich bin ohne irgendwelche religiösen Beziehungen aufgewachsen. […] Ich hatte einen Pfarrer in Wien kennengelernt, der auch ein Freund meiner Eltern war – obwohl ich überhaupt nicht getauft war – und der hat mich sehr beeinflusst […]. Aber ich war niemals – ich habe die erste Dienstprüfung gemacht – aber ich war niemals im kirchlichen Dienst tätig. Das Schicksal, sein akademisches Interesse und die pure Notwendigkeit lassen ihn nämlich alsbald mit der Seliger-Gemeinde aufeinandertreffen.
Zuerst einmal verbringt er einige Zeit an der Universität Lund in Schweden, lernt hier seine spätere Frau, eine Lettin, kennen. Die beiden heiraten und 1954 wird der gemeinsame Sohn geboren. Stupp muss nun eine Familie ernähren. In Bonn, wo er seine letzte Studienzeit verbringt, bietet sich ihm die Gelegenheit, eine Anstellung im Bundeshaus zu ergattern. Er greift er zu. [I]ch habe gehört, dass man Hilfskräfte sucht für, für den... im Rahmen des Bundeshauses. Für verschiedene Arbeiten. Und da ich ja dringend eine Stelle suchte, aber keine hatte zunächst, habe ich mich dort gemeldet und so bin ich empfohlen worden an das Archiv des Bundesrates, dessen Leiter der Roman Wirkner gewesen ist.
Nebenher gibt er Kurse für Abiturientenflüchtlinge aus der Ostzone und ist Heimleiter eines Studentenwohnheimes, in dem die Flüchtlinge untergebracht sind. Im Rahmen seiner Tätigkeit im Archiv des Bundesrats trifft Stupp auf viele Größen der sudetendeutschen Sozialdemokratie. [Ich] habe dann auch Wenzel Jaksch, Reitzner und Paul kennen gelernt und auch [Alfred – Anm. d.Verf.] Frenzel. Das war ein Abgeordneter, der sich später als tschechischer Spion entpuppt hat, beziehungsweise geortet wurde und dann als Verräter gerichtlich belangt wurde, als tschechischer Spion. Aber Frenzel war schon in Bonn ein Außenseiter. Der enge Kreis, der zusammenkam, der bestand aus Reitzner, Paul und Wenzel Jaksch natürlich und dazu kam der Roman Wirkner immer dazu und auch ich durfte öfters an diesem Treffen teilnehmen. Das hat mich also sehr verbunden mit der Seliger-Gemeinde.
Anfang 1955 tritt er der Seliger-Gemeinde bei, fühlt sich hier heimisch. Er erfasst die gemeinsamen Wurzeln der österreichischen und sudetendeutschen Sozialdemokratie. Es hat mich alles sehr interessiert und ich bin also mit ganzem Herzen und voller Überzeugung dabei und außerdem ist natürlich, ja Tatsache, dass die Sozialdemokratie in Böhmen und Mähren bis 1918/19 zur Österreichischen Sozialdemokratie gehört hat. Also das waren ja sozusagen die nächsten Sozialdemokraten überhaupt.
Auch nachdem es ihn aus beruflichen Gründen nach Erlangen zieht, hält er den Kontakt zu seinen Kollegen in Bonn, was ein umfangreicher Schriftwechsel dokumentiert. In Erlangen erhält er allerdings die Möglichkeit als wissenschaftlicher Assistent zu arbeiten und zugleich kann seine Frau hier als Ärztin im Krankenhaus praktizieren. Er hält der Seliger-Gemeinde die Treue, tritt der Erlanger Ortsgruppe bei und ist später zwischenzeitlich auch ihr Vorsitzender. An der Universität wird er schließlich zum Leiter des Studium Generale und hat diese Position 25 Jahre inne. In dieser Zeit ist er unentwegt auch als Publizist im sozialdemokratischen Umfeld aktiv. So gibt er zahlreiche Aufsätze zum Thema Sozialdemokraten in der früheren Tschechoslowakei und in Alt-Österreich, Arbeiterbewegung und Arbeiterdichtung heraus, ist mehrere Jahre lang Chefredakteur des Sudeteneuropäer sowie verantwortlicher Redakteur der Südostdeutschen Vierteljahresblätter. Zusätzlich engagiert sich Stupp in einer Vielzahl ehrenamtlicher Funktionen, etwa in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, als Vorstandsmitglied im DGB oder gemäß seiner Vorliebe für die Malerei im Museumsbeirat der Stadt Erlangen.
Bis in seinen Lebensabend hinein nimmt Stupp unermüdlich die Verantwortung an, in der Gesellschaft zu wirken. Er hat Deutschland längst als seine zweite Heimat angenommen. [D]as Wort Heimat empfinde ich als Erinnerung an die Jugendzeit. Und insofern würde ich Wien als die Heimat bezeichnen. Es ist die Erinnerung an das Elternhaus, an die Schule vor allem auch und... Aber ich bin inzwischen hier so eingebürgert, dass ich also durchaus hier auch zuhause bin und es gern als zweite Heimat bezeichne.
Und dass er sie hier gefunden hat, die zweite Heimat, daran ist seine Verbundenheit zur Seliger-Gemeinde und zu deren Grundsätzen sicher nicht ganz unschuldig.
[N]atürlich hat die Seliger-Gemeinde vor vorne herein eine Ablehnung [...] der Heim-ins-Reich-Mentalität der Nazis gehabt und insofern gerade [diese] Ablehnung des Nationalsozialismus, die eben auch in meinem Elternhaus zu spüren war, [...] hat besonders dazu beigetragen, dass die Seliger-Gemeinde für mich anziehend wurde und ich denke, dass die ersten Schritte zu einer europäischen Verständigung mit den Tschechen, die Seliger-Gemeinde irgendwie die Spitze der deutschen Vertriebenen ist, die diese Verbindung auszubauen bereit ist und die sich bemüht über die Schatten der Vergangenheit hinweg zu sehen. Ich glaube, dass die Seliger-Gemeinde hier eine außerordentlich positive Bedeutung hat.
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Příbeh pamětníka v rámci projektu Not to disappear from history (Rafael Buchta)