Aber dann am 16. April, das vergesse ich nicht, kamen die Russen nach Bolatitz. Ich war damals nicht einmal 18 Jahre. Ich hab das nicht geglaubt. Ich hab geglaubt, Menschen sind Menschen, aber es war nicht so
Marie Zajíček wurde im November 1927 in Bolatitz [Bolatice] im Hultschiner Ländchen [Hlučínsko] geboren. Als sich die Lage im Mai 1938 zuspitzte, flüchtete die Mutter mit den Kindern ins Deutsche Reich. Nach dem Münchner Abkommen kehrten die Zajíčeks wieder zurück. Marie Zajíček besuchte nun eine deutsche Schule, danach ging sie in die Handelsschule in Troppau [Opava]. Nach Kriegsende wurde sie von Russen gefangen genommen und kam in ein Lager in Holitz [Holice]. Nach einem halben Jahr wurde sie in ein anderes Lager gebracht. Von dort ließ sie der Stadtkommandant nach Hause gehen. Ihr Haus in Bolatitz wurde in der Zwischenzeit zerbombt, doch kam sie bei einer Nachbarin unter, bis die Eltern zurückkehrten. Nach Kriegsende arbeitete sie im Büro einer Textilfabrik. Nur langsam verbesserte sich ihr Tschechisch. Daher wurde sie von ihrem Chef mit der Buchhaltung betraut – dafür waren Rechenkünste wichtiger als Sprachkenntnisse. 1949 heiratete sie, ihr Mann ist ebenfalls Deutscher. Sie bekamen zwei Töchter. Als praktizierende Katholikin hatte sie es unter dem Kommunismus zusätzlich schwer. Im Jahre 1992 gründete Marie Zajíček gemeinsam mit ihrem Mann den ersten deutschen Verband im Hultschiner Ländchen.