Klaus Zimmermann

* 1941

  • "Unten die Rucksäcke, dann waren wir fertig am Falkenstein und sagten – hier drüben steht ja noch ein Felsen. Aber da ist die Grenze dazwischen und Zaun, also irgendwie eine lockere Befestigung. Denn die eigentliche, viel besser bewachte Grenze war ja mehr im inneren der Tschechoslowakei, also vielleicht 500 m weiter drinnen mit Drahtzaun und gehackter Erder drüben, damit man die Spuren sehen konnte, von denen, die da überkamen, eventuell. Und es war noch die Mauer in Berlin nicht gebaut, und die Grenze und Befestigung in der Tschechoslowakei sollte die Tschechen abhalten, über die DDR und Westberlin abzuhauen nach Westdeutschland. Also es war noch vor dem Mauerbau und die Grenze wurde auch von deutschen Grenzsoldaten bewacht, mit Waffe. Aber die patrouillierten nur zu zweit und kamen dann nach einer Stunde wieder. Der Felsen drüben auf der tschechischen Seite – wissen Sie, wie das einen Wilden Gesellen reizt? Auf die tschechische Seite zu gehen – das ist ja nur 50 oder 70 m entfernt. Die Mädchen haben wir am Falkenstein gellassen mit den Rücksäcken, wir rüber, durchgeschlichen, Herz pumpte, wir hinaufgeklettert auf den Rabenstein, auf den Sokol. Und dann saßen wir oben und dann sahen wir Grenzer kommen. Und die Grenzer sahen die zwei Mädel am Falkenstein unten sitzen aber vier Rücksäcke! Das fällt natürlich auch dem dümmsten Grenzer auf. Die haben so lange gewartet, bis wir unten waren, wir mussten ja irgendwann mal runter, und dann waren sie streng mit uns. Und haben gesagt, also ihr musst jetzt mitkommen. In Goss Schönau war die Grenzkompanie und in der Grenzkompanie freundlich empfangen kamen wir in den Keller. Ausweis, und Verhör, und alles was so dazugehört und warum und wieso und wie wir heißen und wo wir wohnen und was weiß ich."

  • "Wir hatten dann ja immer Kontakte zu Tschechen, zu tschechischen Bergsteigern schon gefestigt. Wir begegneten uns und dann war die schlimme Zeit 1968, als wir in Sedmihorky Bergsteigertreffen hatten und die Freunde erzählten und sagten uns, das kommt bei euch auch, das kommt bei euch auch, diese Freiheit, diese Pressefreiheit, also Dubček-Zeit, Prager Frühling. Und dann diese Erschütterung, die wir, die so grenznah lebten, so ganz anders empfanden. Wir wollten auch frei sein.... Mit dem 21. August, das war eine schlimme Lebenserfahrung."

  • "Damals als Sechsjähriger habe ich das natürlich nicht wahrgenommen, wie hoch die Einwohnerzahl von Zittau ist. Die Einwohnerzahl explodierte nach oben. 45,48,50,52 tausend Einwohner. Es kamen ja auch die ganzen Treks durch Zittau durch. Die mussten versorgt werden, wie das gemacht worden ist, ist schleierhaft. Ich als Bube wurde 1947 in die Schule eingeführt, Große Klassen, 50 Kinder in der Klasse, da waren viele ältere Kinder auch. Da waren also vierzehnjährige, die gingen mit uns in die erste Klasse, oder dann in die zweite. Die konnten schon bis Tausend zählen, das war ganz besonders, die waren sehr groß. Und hatte noch nie eine Schule besucht. Und ganz viele davon. Und ganz viele auch aus Ungarn. Eine Ungarnfamilie Engelmeier, die lebten bei uns. Und dann noch ein Zimmer, wo eine Dame… Also wieviel – sie drei, vier sechs, sind neun – zehn Personen in einer Wohnung. War keine Seltenheit."

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    Zittau, 15.02.2024

    (audio)
    délka: 01:57:05
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Der Felsen auf tschechischer Seite - wissen Sie, wie das einen ostdeutschen Bergsteiger reizt? Aber da war die Grenze dazwischen und Zaun...

Besteigung von Falkenstein und Sokol, mit Freunden und der zukünftigen Ehefrau, 1962
Besteigung von Falkenstein und Sokol, mit Freunden und der zukünftigen Ehefrau, 1962
zdroj: pamětník

Klaus Zimmermann wurde 1941 in Zittau geboren. In den letzten Kriegsmonaten erlebte er die Bombardierung der Stadt, im Mai 1945 wurde sein Vater als Mitglied der NSDAP verhaftet und in das Gefängnis in Bautzen gebracht, er starb 1947 nach dem Transport in die UdSSR. Klaus wuchs in der Armut der Nachkriegszeit in einer Stadt auf, die überfüllt war mit Exilanten und Flüchtlingen aus der Tschechoslowakei, Polen und anderen Ländern. In seiner Kindheit war die DDR von der Tschechoslowakei durch eine undurchdringliche Stacheldrahtgrenze getrennt, die u. a. verhindern sollte, dass tschechoslowakische Bürger über Berlin in den Westen flüchteten. Klaus studierte Pädagogik in Dresden, aber in seiner Freizeit stieg er auf Berge und zögerte nicht, die Grenze illegal zu überschreiten, was damals eine Straftat war. Er erinnert sich an eine Reihe von Episoden des nicht ganz legalen Grenzverkehrs von 1963 bis 1989 sowie an den Einmarsch der „brüderlichen Truppen“ in die Tschechoslowakei, der für ihn eine bittere Erfahrung war. Gegen Ende der kommunistischen Ära engagierte sich Klaus Zimmermann in der Opposition, wurde verhört und einmal verhaftet. Für kurze Zeit war er Mitglied des oppositionellen Neuen Forums, er erneuerte die Aktivitäten der Sozialdemokraten in der DDR mit und wurde 1990 stellvertretender Oberbürgermeister von Zittau. Auch in dieser Zeit nutzte er seine zahlreiche Kontakte zu tschechischen Bergsteigern, von denen einige damals für das tschechische Bürgerforum Kommunalpolitik machten.