Následující text není historickou studií. Jedná se o převyprávění pamětníkových životních osudů na základě jeho vzpomínek zaznamenaných v rozhovoru. Vyprávění zpracovali externí spolupracovníci Paměti národa. V některých případech jsou při zpracování medailonu využity materiály zpřístupněné Archivem bezpečnostních složek (ABS), Státními okresními archivy (SOA), Národním archivem (NA), či jinými institucemi. Užíváme je pouze jako doplněk pamětníkova svědectví. Citované strany svazků jsou uloženy v sekci Dodatečné materiály.
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...nicht die Wurzeln vergessend.
geboren in Grünlas, Kreis Elbogen, am 28.06.1946
Familie siedelt im gleichen Jahr nach Hof in der BRD über
Kindheit geprägt vom Leben im Flüchtlingslager, wo der Vater Lagerleiter wird
die musikalische Ausbildung von Heidler und seinen beiden Brüder wird von den Eltern gefördert
Vater ist im Arbeitskreis sudetendeutscher Sozialdemokraten in Hof, später in der Seliger-Gemeinde aktiv
Heidler nimmt früh an den Veranstaltungen der Sozialdemokraten teil
nach Abschluss einer Maschinenschlosserlehre, lernt er während der Zivildienstzeit seine Frau kennen
es folgt ein Studium zum Berufsschullehrer und der Bau des Eigenheims
1978 wird Heidler zum Vorsitzenden der Seliger-Gemeinde in Hof gewählt
1980 und 1982 werden seine beiden Töchter geboren
seit 2009 ist er Landesvorsitzender der Seliger-Gemeinde Bayern
seit 2010 ist er pensioniert
Heimat, nie gelebte Kindheit, die ich normalerweise, unter normalen Umständen, dort verbracht hätte, wo die Eltern herstammen. Also ich konnte es nie erfahren. Meine Heimat, ich bin ein bisschen zwiegespalten, aber ist doch hier in Hof, aber nicht die Wurzeln vergessend. So umschreibt Peter Heidler seinen Umgang mit der Herkunft. Zwar hat er seine regionale Heimat als Kind nie erlebt, aber die Traditionen und Werte seiner böhmischen und sozialdemokratischen Abstammung sind in seinem Elternhaus von früh auf allgegenwärtig.
Heidler wird als letzter von drei Söhnen am 21. Juni 1946 in Grünlas, im Kreis Elbogen, geboren. Wenngleich der Vater als Antifaschist anerkannt ist, verlässt die Familie die Tschechoslowakei im Oktober desselben Jahres. [D]as Bleiben dort, allein ohne deutsche Mitbürger ist allen schwer gefallen. Obwohl [der Vater] während seiner Wehrdienstzeit bei der tschechischen Armee seinen Wehrdienst abgeleistet hat, und sich für den neuen tschechischen Staat, der 1919 gegründet wurde, dann eingesetzt hat. Er war von Jugend auf in der DSAP eingebunden, engagiert, war auch Jugendvertreter und wegen dieser Einstellung zur Sozialdemokratischen Partei ist er auch 1938 dann nach dem Münchener Abkommen und dem Einmarsch der Wehrmacht gleich verhaftet worden. Sechs Monate hatte er daraufhin im Konzentrationslager Dachau zubringen müssen, bevor er anschließend als Soldat von der deutschen Wehrmacht nach Frankreich und später Russland geschickt wurde. Dass er den Krieg überhaupt überlebt hat, begründet auf der Tatsache, dass er in den letzten Kriegsmonaten Flecktyphus bekommen hat und diesen Flecktyphus haben die meisten Soldaten, die ja auch körperlich sehr strapaziert wurden oder strapaziert waren, haben die nicht überlebt und er hat als einer der wenigen überlebt.
Die Ausreise vollzieht sich über Wiesau nach Hof und Heidler lernt in jungen Jahren das Leben als Flüchtlingskind kennen. Die fünfköpfige Familie kommt zuerst in einer Ein-Zimmer-Wohnung in der zum provisorischen Lager umfunktionierten Altstätter Schule unter. Als der Vater die Möglichkeit wahrnimmt als Lagerleiter im Lager Nord in der Kulmbacher Straße anzufangen, zieht die Familie dorthin um. [U]nd so ist meine Kindheit lagerbarackenmäßig geprägt.
Die Erfahrungen sind zwiegespalten. Einerseits bilden die katholischen Flüchtlingskinder an seiner Schule eine große Gruppe und müssen sich vor Anfeindungen der anderen Schüler nicht fürchten. Andererseits merkt man dem ein oder anderen Lehrer die Verachtung für die Flüchtlinge an, sodass etwa Wörter wie „Schmarotzer“ oder „Rucksackdeutsche“ keine Seltenheit sind, auch wenn der junge Heidler diese Begriffe politisch nicht zuordnen kann.
Als positiv empfindet er die Gemeinschaft im Lagerleben. Bereits 1948 wird in Hof eine Arbeitsgemeinschaft Sudetendeutscher Sozialdemokraten gegründet, in der sein Vater sich direkt in der Laienspielgruppe einbringt. [D]ie haben Theateraufführungen gemacht, musikalisch, musikalisches Theater aufgeführt, also mit Gesang und Darstellung und ja da bin ich als Kind automatisch mit da drin reingewachsen. Ich war bei Theaterproben, die sehr häufig bei uns im Lager stattfanden. Da war ich immer mit dabei und so bin ich in diese Gemeinschaft als, schon als Kind mit reingewachsen.
Als negativ hingegen bleibt ihm vor allem ein Erlebnis im Gedächtnis, das ihn zugleich in seiner Würde verletzt, aber ihm auch als Antrieb für sein weiteres Leben dient. Das hat mich also, das hat also mich schwer getroffen, als nicht ich selber, sondern mein Bruder, der wollte einmal anbandeln mit einem Mädchen und die hat einfach dann rübergeschrieen: „Was willst denn Du Barackler?“ Und das hat mich also schon im Innersten getroffen. Aber das war für mich, aber im Endeffekt muss ich der vielleicht sogar noch dankbar sein, das war für mich sogar noch der Ansporn, innerer Ansporn, denen, denen, in Anführungszeichen, es zu zeigen. Dass wir mehr sind als nur Barackler. Dass wir auch eine gewisse Ehre haben. Das hat mich also in meinem Ehrgefühl auch als Jugendlicher, als Kind sehr betroffen gemacht.
Nichtsdestotrotz integriert sich die Familie schnell und schafft sich ein sicheres Umfeld. Den Grund hierfür sieht Heidler in der Musik, denn auf eine solide musikalische Ausbildung legen die Eltern großen Wert. Der Vater hat schon während der 20er und 30er Jahre die Erfahrung gemacht, dass Musiker immer genügend zu essen [hatten] und wenn die also nur für das Essen aufgetreten sind. Aber die hatten immer genügend zu Essen, die hatten also immer Kontakte, dass sie immer was zu Futtern hatten. Als Hilfsmaßnahme zur Selbsthilfe, und um den Kindern die selbst erlebte Armut zu ersparen, bekommen alle drei Unterricht an verschiedenen Instrumenten. [I]ch habe Akkordeon lernen dürfen beim Musiklehrer Salzmann und habe dann ein Schlagzeug bekommen. Das war mein Traum gewesen. [...] Da war ich zehn Jahre alt und gleich Weihnachten das Schlagzeug gekriegt. Dann bin ich einen halben Meter hoch gesprungen und Silvester musste ich schon eingreifen, weil der Schlagzeuger dort bei dem Trio, das aus meinem Bruder bestand, Erich, also dem Zweitältesten, und einem Gitarristen und ich als Schlagzeuger... Durfte ich gleich an Silvester antreten – der Startpunkt für eine vierzig Jahre andauernde Zeit des gemeinsamen Musizierens.
1958 beginnt die Familie sich ein Eigenheim in Hof zu bauen. Während der Zeit des Hausbaus beendet Heidler die Schule mit der mittleren Reife und es folgt für ihn eine Lehre zum Maschinenschlosser bei der Firma Reichert. Zwar wollte er ursprünglich dem Vater nacheifern, aber Ferienarbeit verleidet ihm den Einstieg in einen Bauberuf. Als er nach der Ausbildung nicht weiter von der Firma übernommen werden kann, erlebt er eine kurze Phase der Arbeitslosigkeit, die Heidler nach eigenem Empfinden stark prägt. Dass ich am eigenen Leib erfahren habe, was es bedeutet, nicht arbeiten zu dürfen. Auch wenn man arbeiten hätte gerne wollen.
Die Einberufung zur Bundeswehr, die er aus Gewissensgründen ablehnt, holt ihn jedoch aus der persönlichen Krise. Er leistet seinen Ersatzdienst in einem Altenpflegeheim in Selb ab, wo er auch seine spätere Frau kennenlernt. Jetzt folgt für ihn eine erlebnisreiche Zeit. Während der letzten Monate begann ich schon einen Vorbereitungskurs an der Ingenieurschule in Coburg für einen Einführungskurs, der immer Samstag stattfand und Samstagfrüh bis Samstagmittag ging, [...] dann die Heimfahrt wieder von Coburg und Nachmittags, weil während dieser Zeit mein Bruder schon zu bauen begonnen hatte in Döhlau, ging es auf den Bau und wenn Musiktermine anstanden, nach dem Bau eben zum Instrumente- und Anlagen-Aufbauen, musiziert, die ganze Nacht [...].
1963 besucht der junge Mann das erste Mal in seinem Leben die böhmische Heimat und lernt auch sein Geburtshaus kennen. Aus den Erzählungen der Eltern weiß er viel, jedoch ist dieser Besuch ein besonderes Erlebnis für ihn – seine freudige Erwartung an den Besuch wird nicht enttäuscht. [D]as war insgesamt ein sehr, sehr, ja, emotionales, positives Empfinden für mich persönlich, so die Erwartung: „Wo bist Du denn überhaupt geboren?“ Geburtshaus sind wir hingefahren. Mal zu sehen, wo meine Großeltern gelebt haben mit einem kleinen Bauernanwesen und wo die Äcker waren, das hat mir dann der Vater gezeigt. [...] Und das hat so ein unbeschreibliches Heimatgefühl... Dieses Wiederentdecken aus dem Land, aus dem ich an und für sich stamme.
Doch die Zukunft in der Bundesrepublik wartet nicht. Heidler wird Ingenieur und bekommt zahlreiche Angebote für eine Anstellung, auch im Ausland. Als sich aber die Gelegenheit bietet, Baugrund in Hof zu erstehen, bleibt er letztlich und beginnt mit dem eigenen Hausbau. Daneben kommt ihm eine neue Idee in den Sinn und er schreibt sich mit einem Studienkollegen an der TU Berlin ein, um sich dort zum Berufsschullehrer ausbilden zu lassen. Er legt die erste und zweite Staatsprüfung ab und kommt nach der Referendariatszeit mit Glück und dank eines zuvorkommenden Seminarlehrers nach Hof. Hier wird er später Oberstudienrat und sogar einer der jüngsten Studiendirektoren.
Sein Vater ist sehr stolz auf den Werdegang des Sohnes. Als er 1982 stirbt, ist es ein schwerer Schlag für Heidler. Ich hatte zu meinem Vater mehr... ein freundschaftliches Verhältnis zu ihm, weniger vaterschaftliches Verhältnis. Also es war, vor allem in den letzten Jahren, war das ein ausgesprochen herzliches Verhältnis, was wir hatten zueinander. Er hat gemerkt, dass er ziemlich krank ist und er war natürlich auch, was er immer angestrebt hat, was ihm immer aufgrund der politischen und der Kriegsereignisse dann verwehrt geblieben ist, Studium zu machen. Und dadurch, dass ich das natürlich als Maschinenbauingenieur erreicht hatte, schwamm dann natürlich schon ein bisschen stolz mit bei und Anerkennung und Respekt.
Zwischenzeitlich ist Heidler zum Vorsitzenden der Hofer Seliger-Gemeinde geworden. Wie er selbst sagt, ist er einfach in diese Gemeinschaft hineingewachsen. Er hat sich musikalisch sowohl an den Instrumenten als auch im Chor engagiert und ist zudem im Ortsverein der SPD aktiv. Auf diese Weise bleibt ihm die Verbindung zu den Eltern auch nach deren Tod erhalten. Regelmäßig reist er – mal allein, mal mit Freunden aus der Seliger-Gemeinde, aber auch mit seinen beiden Töchtern – in die Heimat seiner Eltern. Er lernt zum Beispiel Radek Drazan kennen, einen tschechischen Autoren und Politiker, den er mehrfach besucht und den er als Gleichgesinnten sehr schätzt. Wir haben uns... er hat sich nicht als Tscheche bei mir gefühlt, ich hab ihn nicht als Tscheche betrachtet, er hat mich nicht als Deutscher gesehen, sondern wir haben uns einfach nur als Freunde gesehen, ohne Nationalitätshintergrund. Also das war einfach herrlich.
Die Art der freundschaftlichen Auseinandersetzung, die er in seinem Leben, sei es mit seinen Parteifreunden, seinen Schülern, den Arbeitskollegen und auch den Tschechen gepflegt hat, fußt für Heidler auf der grundlegenden sozialen Ausrichtung der Seliger-Gemeinde.
Aber Seliger-Gemeinde ist ja eben, das habe ich auch erst lernen müssen, dieser geschichtliche, tiefere geschichtliche Hintergrund, dieses gelebte Miteinander, diese Art Politik zu leben, nicht einfach was Abgehobenes zu sehen, sondern einfach Politik am Miteinander zu praktizieren und umzusetzen, das finde ich fantastisch.
Die Musik, der Arbeitseifer, die soziale Vergesellschaftung – das alles sieht Heidler in der Tradition seiner böhmischen und sozialdemokratischen Heimat wurzelnd, aber was der Baum trägt, das ist dann hier gewachsen.
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