Adolf Tahedl

* 1940

  • Nach der Vertreibung habe ich mal es wieder besucht, das Andreasberg. Und da waren keine Häuser mehr da, nur noch Grundmauern. Bei der Kirche war nur noch die Friedhofsmauer gestanden, von der Kirche nur Teile. Das tschechische Militär hat es als Übungsgelände benutzt, für Bombenziele, also die Flieger, die dort gelegen sind. Das Gebiet war an und für sich gesperrt. Wir sind halt frecherwise einfach dahingefahren und haben uns das angeschaut.

  • Es war Horror damals. Wir haben es im Laufe des Nachmittags erfahren, und damit wir zusammen abreisen konnten mit meinen Großeltern, haben wir nur einen halben Tag Zeit gehabt, alles einzupacken, was wir mitnehmen wollten. Man durften ja nur zwanzig oder fünfundzwanzig Kilo mitnehmen. Und da weiß man im Moment nicht, was ist das Wichtigste. Wir haben das schöne Geschirr und solche Sachen noch schnell vergraben, weil man ja gemeint hat, man kann sich das später holen.

  • Die Aussiedelung selber, an die kann ich mich ein Bisschen erinnern. Zuerst mit den LKW und dann mit dem Zug, einem Viehtransportwagen. Während der Fahrt ist die Tür aufgesprungen und mein Großvater konnte meine jüngere Schwester, die im Kinderwagen gelegen ist, gerade noch ergreifen. Sonst wäre sie von dem Zug herausgerollt mit dem Kinderwagen. Und dann ging es halt weiter, in dem Auffanglager in Furth im Wald waren wir zirka zwei, drei Monate, so genau weiß ich es jetzt nicht mehr. Und dann haben wir in Regenkamm, in einer Gaststätte ein Zimmer bekommen.

  • Wir sind damals in 1946 vertrieben worden. Es war eine harte Zeit. Meine Mutter war alleine mit fünf Kindern. Zum Glück sind mein Großvater und meine Großmutter mit uns zusammen ausgesiedelt worden. Die Botschaft hat meine Mutter erhalten während sie Graß umgedreht hat zum Trocken. Da hat sie die Nachricht bekommen, dass wir nächsten Tag die Heimat verlassen müssen. Wir hatten nur ein paar Stunden Zeit zu überlegen, was wir mitnehmen sollen. Teile wurden wahrscheinlich vergraben, weil man gemeint hat, man kommt wieder zurück.

  • Momentan war die Vertreibung sehr schlimm, und man kann sich vorstellen, die Erwachsenen haben es noch viel intensiver empfunden, die haben immer noch gehofft, dass wir wieder mal zurückkommen in unsere Heimat, aber dem war leider nicht so. Aber für mich war es im Nachhinein gesehen sogar ein Sprungbrett, dass ich mich selbstständig machen konnte und dass ich mit meinem Fleiß etwas schaffen konnte. Wobei für die Zurückgebliebenen dann der Kommunismus ein härteres Lot war als die Vertreibung, meines Achtens.

  • Celé nahrávky
  • 1

    Neukirchen b. hl. Blut, 31.08.2019

    (audio)
    délka: 01:08:57
    nahrávka pořízena v rámci projektu Das vertriebene Gedächtnis des Böhmerwaldes
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Nach der Vertreibung hat man mein Geburtsdorf in Ubungsgelände für das Militär umgebaut

Adolf Tahedl, Neukirchen 2019
Adolf Tahedl, Neukirchen 2019
zdroj: Natáčení

Adolf Tahedl wurde am 14. Mai 1940 im heute verschwundenen deutschen Andreasberg (Ondřejov) bei Böhmisch Krumau (Český Krumlov) geboren. Der Vater Adolf war im Krieg, kämpfte zunächst in Frankreich und viel in der SSSR in Gefangenschaft, sodass ihn die Familie erst nach der Vertreibung in Deutschland wieder traf. Die Mutter Olga kümmerte sich um fünf Kinder und eine kleine Landwirtschaft. Im Juni 1946 erwartete die Familie die Vertreibung. Sie packten schnell zusammen, vergruben Wertgegenstände, weil sie dachten, dass sie zurück kämen. Abgeschoben wurden sie zunächst auf einem Lastwagen, später in Viehwaggons ins Auffanglager in Furth im Wald. Nach einem dreimonatigem Aufenthalt wurde ihnen ein Zimmer in einem Gasthaus in Regenkamp zugeteilt und als der Vater 1948 aus der Gefangenschaft kam, ließen sich sich in Regensburg ein. Adolf ließ sich zum Automechaniker ausbilden, später arbeitete in der väterlichen Tischlerei und Baufirma mit. Er gründete eine selbständige Firma, die prosperierte, und hat drei Söhne. Nach 1989 traf er in Prag seine zweite Ehefrau, eine Tschechin. Seine Geburtsgemeinde auf dem Gelände eines Truppenübungsplatzes der Armee besuchte er das erste Mal 1975 heimlich – alles war niedergerissen. Heute würde er dort gern ein Grundstück kaufen, doch die Nutzung durch das Militär macht das unmöglich. Er ist froh, dass sich die Tschechen für das Thema der Vertreibung zu interessieren beginnen und sich irgendwie damit auszugleichen.