"Ich bin geboren am 30. April 1928 in der Borovina bei Třebíč. Wir hatten dort eine Villa und Besitzungen natürlich. Meine Kindheit – wir hatten sofort eine tschechische Betreuerin und eine deutsche Kinderschwester gehabt, damit wir beide Sprachen sofort lernen. Die liebe Vlasta war immer um uns herum, hat auch der Schwester geholfen die Windeln waschen und hat ihr geholfen. Wir hatten eine wirklich sehr glückliche Jugend gehabt bis auf den Tod von meinem Vater und meiner Schwester. Die zweite Schwester ist dann erst 1945 gestorben. Und mit Hilfe des Pfarrers und unseren Grünzeughändlers bin ich dann, da war auch mein Onkel da, bei meinem Vetter, und wir beide sind dann mit dem Wagen, mit dem Grünzeugwagen nach Znojmo gefahren, und dort sind wir dann, da waren schon die ganzen Vertriebenen auf dem Bahnhof. Es war entsetzlich, was sich dort abgespielt hat, die Leute haben geweint, das werde ich nie vergessen. Gott sei Dank sind wir dann in den Viehwaggon gekommen, dann sind die Tschechen noch gekommen und haben uns den ganzen Schmuck weggenommen, die Uhren und alles, und die Russen. Dann sind wir also nach Retz, das ist also die erste österreichische Station, dort haben wir Verwandte gehabt und Bekannte. Wir waren zwei, drei Tage in Retz und sind dann mit einem Pferdewagen nach Waldstein gekommen."
"In Unter-Wilemowitz war ein Vetter von dem Mörder. Der Mörder von Heydrich ist ja eingeflogen worden von den Engländern, das war kein Landesmörder, das war ein Asyilter, der nach England geflohen ist. Zwei waren es. Und der hat seine Cousine bei unserem Meierhof gehabt, da ist die Gestapo natürlich gekommen, und wollte das Dorf wie Lidice vernichten. Meine Mutter hatte damals 1938 einen Herzinfarkt gehabt, sie war schwer krank, und da ist mein Vetter Emmanuel Waldstein aus dem Schloss eingesprungen, und hat mit den Nazis gehandelt. Meine Mutter hat glaube ich 10 000 Tschecho-Kronen bezahlt, dass den Leuten nichts passiert. Und die Bauern haben Enten und Gänse, und was weiss ich noch gegeben. Vilémovice ist also gerettet worden. Wir haben einfach die Nazis bestochen mit 10 000 Tschecho-Kronen und Essen natürlich, Enten usw. Dann haben wir Ruhe gehabt, das war das letzte Aufregende. Das ist auch knapp daran gewesen, dass wir umgebracht werden."
"Wir hatten eine Köchin, eine tschechische Köchin und einen österreichischen Diener, und die haben geheiratet. Sie ist dann von Gestapo in Jihlava verhört worden, ob wir England hören. Gestapo braucht man nicht erklären, sie hat also solche Angst gehabt, dass sie zugegeben hat, dass wir England hören. Da waren wir wirklich am Rande von KZ, koncentrák. Es hat uns gerettet Baron Barata aus Budišov. Im ersten Weltkrieg war er Soldat, war schon alt, und da gab es eine Organisation von alten Offizieren, die keine Nazis waren. Der hat dann für uns die Hand ins Feuer gelegt. Er hat gesagt, die Waldsteins sind in Ordnung. Ich weiß nicht, was er für eine Lüge erzählt hat, dass meine Mutter keine Ahnung hat vom Radio, das waren ja damals andere Radios wie heute. Dadurch sind wir also knapp am KZ vorbeigekommen."
Sie haben es nicht verstanden, wieso wir den Tschechen helfen wollen
Die Gräfin Anna Maria Waldstein-Wartenberg wurde am 30. April 1928 in Borovina bei
Trebitsch (Třebíč) geboren. Ihr Vater und ihre jüngere Schwester sind bereits früh verstorben.
Eine weitere Schwester ist im Jahr 1945 verstorben, als Anna Maria nach Kriegsende für
kurze Zeit bei ihrem Onkel in Österreich lebte. Ihr älterer Bruder Berthold musste in die
Wehrmacht einrücken und war in Gefangenschaft geraten, letztendlich gelangte er aber erfolgreich
nach Wien. Im Jahr 1947 ist auch Anna Maria mit ihrer Mutter und Oma dorthin gekommen.
Zunächst wohnten sie in Pressbaum bei Wien, aufgrund des Pendelns kauften sie sich aber
eine Wohnung in Wien. Anna Maria Waldstein arbeitete als Sekretärin in einigen Firmen, sie
verbachte einige Zeit in England und Rom. Besonders wichtig war ihre ehrenamtliche Arbeit
beim Malteser Hilfsdienst, sie engagierte sich zusammen mit ihrem Bruder und ihrer
Schwägerin in der Flüchtlingshilfe während des Ungarischen Volksaufstandes im Jahr 1956
und auch während des Prager Frühlings 1968. Sie half mit der Verteilung von Medikamenten
in die Ostblockstaaten. Mit den tschechischen Ländern war sie ununterbrochen in Kontakt und
bezeichnet diese als ihre Heimat. Das macht sie auch in ihrem Buch „Als Trebitsch noch bei
Waldstein war…“ deutlich, auf dessen Buchtaufe im Jahr 2014 sie auch persönlich in
Trebitsch anwesend war.