Adalbert Schiller

* 1942

  • "Kennen Sie von den Buchen die Eckern? Das war eine sehr wichtige Nahrung für uns. Das haben wir tagelang gesucht. Wenn die runtergefallen sind im Herbst, haben wir sie aufgelesen. Der Vater hat ja versucht, etwas esbares... Da haben wir Hasen gehalten, er hat ein paar Hasenstellen gezimmert, das durfte man, hinter dem Haus, aber er hatte kein Futter. Da sind wir die größeren Kinder in die Wiesen und haben Gras geholt, nur in die Taschen. Und wenn das Getreide fertig war, sind wir rumgegangen und haben das Getreide in die Taschen, für die Hasen. Das war schon eine andere Zeit."

  • "Ich hatte auch sehr inniges Verhältnis zu ihr (meiner Mutter), und sie zu mir. Die hat zu niemandem viel gesagt, aber zu mir hat sie alles gesagt. Geschimpft und alles gesagt, ich habe gewusst, wie sie es meint. Wie ich das erste mal drüben gefahren bin, das musste ich noch Visa haben, habe ich es beantragt für meine Mutter auch. Dann habe ich sie beobachtet, wie wir von dem Bauernhof, wo wir gelebt haben, ausgestiegen ist. Sie war käseweiss. Sie hat sich aber nichts anmerken lassen. Die hat nicht drum geschrien, sie hat nicht geschimpft, sie hat nur gesagt, ich soll das und das machen, sie war keine so große Rednerin. Sie hat nur geredet, wenn wir rübern gefahren sind, in die Tschechei, so was ihr vorgefallen ist, die Erlebnisse, dann hat sie erzählt. Wie sie in die Schule gegangen sind, sind sie zu einem Mann in Geschäft gegengen, er hatte dor Bonbons und hatte immer Sprüche im Dialekt gesagt. ´Haben sie Kasle? Wollen sie Fischle.´ Haben sie Käse, wollen sie Fisch. Haben sie Fisch, wollen sie Käse. Haben sie nichts, wollen sie Wurst, haben sie Wurst, wollen sie nichts. Das hat sie immer dann erzählt, wenn wir an dem Haus vorbeigefahren sind. Das erste Mal waren wir dort 1972, mit der Mutter und den Geschwistern. Ich wollte die Oma auch mitnehmen, aber sie ist dann ein Tag vorher, das war die Aufregung so groß, sie konnte dann nicht mitfahren. War alles fertig schon, und als ich sie früh abholen wollte, hat sie gesagt, sie kann nicht. Die war emotional völlig kaputt. Sie könnte nicht mitfahren. Und kurz danach ist sie auch gestorben. Der Vater war nie dort. Er ist schon 1966 gestorben. Die Mutter ist bis zum Tod hin mitgefahren. Das letzte Mal, 1991 zu Weihnachten, sie war schon sehr schwach. Ich habe sie gefragt, willst du hin? Sie wollte unbedingt. Die Geschwister meinten, sie ist schon zu schwach. Ich bin nur alleine mit ihr gefahren. Sie wollte unbedingt zu ihrem Elternhaus in Skapse. Dort ist sie ausgestiegen, da war eine tschechische Frau, die wir gut kannten, die früher da gearbeitet hat auf der Kolchose. Mutter wollte unbedingt in das alte Wohnhaus und in die Stahl. Dann ist diese tschechische Frau mit ihr in die Stahl, wo sie gearbeitet hat. Die Mutter war dann emotional total fertig. Ich habe sie immer beobachtet. Man hat gesehen, wie sie das mitnimmt, aber sie hat es nie rausgelassen."

  • "Zuerst kamen ja die Amis. Wie sie in das Dorf eingezogen sind, mit Panzer, sind sie im Dorf stehengeblieben, auf der Hauptstraße, und auf einmal fällt ein Schuß und ein Soldat fällt tot runter direkt vor unserem Bauernhof. Jetzt können sie sich vorstellen, was da los war. Sie haben das ganze Dorf umgezogen, und haben den gesucht, der angeblich geschoßen hat. Erst nach Stunden, weil gewisse Nachbarn zugeschaut haben, haben die gesagt, er hat sich selbst erschoßen aus Versehen. Er wollte vom Panzer runterspringen und hatte das Gewähr so, beim Runterspringen hat sich der Schuss gelöst, und dann war er tot. Das haben sie immer geagt, wären das die Russen gewessen, hatten sie das ganze Dorf likvidiert. Der tote Soldat lag praktisch drei Tage vor unserem Haus, das musste meine Großmutter ein Betttuch geben, in den sie ihn eingewickelt haben, und nach drei Tagen haben sie ihn abgeholt."

  • "Die Vertreibung, wie bereits angedeutet, ist ein Trauma für die meisten Vertriebenen geweßen. Mein Vater hat es nicht verkraftet. Dieses Trauma, ich habe gelesen, ha tein Wissenschaftler gesagt, dieses Trauma geht bis in die dritte Generation, bis es einmal ein Ende hat. Und es ist ja klar, die alten Leute, meine Großeltern, die haben tagtäglich darüber gesprochen. Aber sie haben, das muss ich auch sagen, nie geschimpft über die Tschechen oder über jemanden. Es ist auch vor uns Kinder wenig gesprochen worden, aber ich war damals schon sehr neugierig, war hinter dem Tisch oder hinter dem Schrank und habe zugehört. Das hat mich natürlich geprägt. Ich kam dann in den 70er Jahren, nachdem mein Veter verstorben war, hat mich meine Mutter veranlasst ich soll in die Sudentedeutsche Landsmanschaft gehen und mitarbeiten. Bin seit 1972 Mitglied in der Landsmannschaft. Seitdem engagiert und habe fast alle Positionen als Obmann oder Stellvertreter, zur Zeit bin ich Kreisobmann von Hof. Wir haben viele Veranstalltungen, und ich bin auch sehr viel Heimatverbunden, was ich von meinen Eltern geerbt habe, jedes Jahr ein paar Mal in der alten Heimat und auch in anderen Städten, weil mir diese Städte sehr viel sagen, weil ich sehr geschichtsbewußt bin, sehr viel gelesen habe."

  • "Ich bin dann ab 1956 in die Lehre als KFZ Mechaniker, und habe mir damals schon immer Gedanken darüber gemacht, wie es weiter gehen soll, weil ich sehr geschichtsverbunden war, ich hatte einen Lehrvertrag für 3,5 Jahre, und mein Vater, es hat immer geheißen, wir kommen wieder zurück, und ich als 14jähriger habe mir immer Gedanken gemacht, wie das geht, wenn er wieder zurück will und ich hier lerne. So sind halt Kinder mit 14 Jahre."

  • Celé nahrávky
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    Rehau, 11.09.2019

    (audio)
    délka: 01:29:05
    nahrávka pořízena v rámci projektu Stories of the expelled Germans born in the Karlovy Vary region
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Auf unserem Hof lebten wir seit 1469

Adalbert Schiller, 2019
Adalbert Schiller, 2019
zdroj: Adalbert Schiller

Adalbert Schiller wurde am 11. April 1942 in Elschelin (Lšelín) in der Nähe von Mies geboren. Seine Vorfahren bewirtschafteten den Hof seit dem 15. Jahrhundert. Im September 1946 wurde die Familie Schiller nach Bayern vertrieben. Ein neues Zuhause haben sie zunächst in Bad Steben und später in Naila gefunden. Es war nicht einfach, die kinderreiche Familie (13 Kinder) zu ernähren. Adalbert Schiller hat KFZ-Mechaniker gelernt und fast sein gesamtes Berufsleben war er Autoverkauf tätig. Nebenbei war gesellschaftlich sehr aktiv – er war im Vorstand der Katholischen Arbeiterbewegung und des Fußballvereins, für den er auch viele Jahre erfolgreich gespielt hatte. 1972 trat er in die Sudetendeutsche Landsmannschaft ein, in der er verschiedene Funktionen innehatte. Zu seiner alten Heimat hat er eine starke Beziehung und er fährt nach Tschechien. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.